Hürden im Englischunterricht abbauen
die zwei größten Hürden
Vielen Schulen gelingt es nur bedingt, den ihnen zugewiesenen Förderauftrag vollständig wahrzunehmen. Nicht selten fehlen hierfür einfach die Ressourcen. Allerdings lassen sich unabhängig von einer eigentlichen (d.h. individuellen und diagnosebasierten) Förderung relativ leicht zumindest einige der Hürden abbauen, mit denen betroffene Kinder und Jugendliche tagtäglich im Unterricht zu kämpfen haben. Einige dieser Maßnahmen werden im Folgenden kurz dargestellt.
Lerntempo
Das Lern- und Arbeitstempo bei Schülern ist unterschiedlich, eigentlich eine Binsenweisheit. So benötigen langsame Lerner vier Mal so viel Zeit wie ihre schnellen Mitschüler. Schüler mit einer LRS bzw. Legasthenie benötigen noch einmal mehr Zeit zum Lesen und Schreiben und damit auch zum Bearbeiten von Lernaufgaben im Unterricht (und zu Hause). Wenn Unterricht im Einheitstempo durchgeführt wird, was an zahlreichen Schulen leider noch gängige Praxis ist, kommen viele Schüler einfach nicht mit. Diese Hürde lässt sich durch eine flexiblere Unterrichtsorganisation abbauen, bei der keine starren Zeitvorgaben gemacht werden, sondern Zeiträume vorgegeben werden, in denen die langsamen Schüler die Chance zur vollständigen Durchführung der Aufgabe haben, während schnellere im gleichen Zeitraum mehr Aufgaben erledigen. Solche Unterrichtsverfahren fallen unter den Sammelbegriff des ‚offenen Unterrichts’ und werden an einigen Schulen bereits seit geraumer Zeit praktiziert.
Stoffdruck
Auch die Lehrpläne sind in vielen Bundesländern dermaßen überladen, dass sie einen enormen Stoffdruck auf alle Beteiligten ausüben. Die allermeisten Lehrer und Lehrerinnen beklagen das krasse Missverhältnis zwischen Lehrplanfülle und Unterrichts- bzw. Lernzeit. Da aber Lernplan bzw. Lehrwerk oftmals als zwingende Vorgabe betrachtet werden, wird in der Regel ein hohes Unterrichtstempo praktiziert; die mangelnde Nachhaltigkeit einer solchen Unterrichtspraxis ist den Handelnden zwar bewusst, wird aber in Kauf genommen. Die Folgen, insbesondere für langsame Lernende - und noch einmal verschärft für von LRS-/Legasthenie Betroffene - liegen auf der Hand: Sie kommen nicht mit, da sie einfach nicht die für sie notwendige Zeit für ihr Lernen erhalten. Als weitere Konsequenzen stellen sich nach einiger Zeit Misserfolgserlebnisse, fehlende Selbtswirksamkeitserfahrungen und schließlich ein deutlicher Motivationsverlust ein; die betroffenen Schüler geraten in einen schulischen Teufelskreis.
Die Lösung dieses wohl größten Problems der Schulen kann neben der Ermöglichung unterschiedlicher Lerngeschwindigkeiten (s.o.) nur in einer Differenzierung des Lernstoffs liegen, damit schnelle und begabte Schüler schnell und viel lernen können, andere Lernende aber genug Zeit erhalten, um die zentralen Kompetenzen, die in der Schule erworben werden sollten, auch wirklich gründlich und vor allem dauerhaft zu erwerben. Lernen benötigt Zeit zur Vertiefung und Wiederholung, nur dann bleibt etwas ‚hängen’. Wenn Lehrer diese Zeit in ihrem Unterricht nicht zur Verfügung stellen, ist der gesamte Lernprozess fragwürdig. Es wird zwar viel unterrichtet und durchgenommen, wegen dieser Fülle wird aber wenig gelernt. Die Lösung liegt in dem im ersten Moment paradox klingenden Prinzip, weniger durchzunehmen, dafür aber gründlicher. Im Endeffekt können Schüler, die auf diese Weise lernen, schließlich mehr als bei einem übervollen Lehrplan. Eine Reduzierung des Lernstoffes führt also insgesamt gesehen zu besseren Lernleistungen. Weniger ist mehr. Damit ist auch dem Einwand vieler Lehrer zu begegnen, die angesichts von Standards und zentralen Prüfungen zögern, den Lernstoff auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren.
kleinere Hürden
Eine weitere Hürde, allerdings weniger grundsätzlicher Natur als die beiden zuvor erläuterten Missstände, besteht darin, dass Lernmaterial, vor allem also Texte, aufgrund ihrer Formatierung für LRS / Legasthenie-Betroffene schwer lesbar sind. Folgende Maßnahmen können hier Abhilfe schaffen:
- legastheniefreundlicher Schrifttyp (z.B. Comic Sans, Open Dyslexic)
- Schriftgröße 14
- größerer Zeilenabstand
- größerer Wortabstand (doppelte oder dreifache Leerzeichen)
In fachlicher Hinsicht können folgende fachdidaktische Maßnahmen sinnvoll sein:
- Bewusstmachung von sprachlichen Regeln
- Erklärungen in der Muttersprache
- Einführung von Schrift erst, wenn Lautbild-Semantik-Verbindung sicher ist
bzgl. Vokabel-/Wortschatzarbeit
- systematisches Lernen mit digitalen Kartei-Systemen
- multisensorisches Erarbeiten von Inhalten
- Vermitteln von Lerntechniken
- Differenzierung des Lernwortschatzes: die ‚Units’ nach wichtigen und unwichtigen Vokabeln sortieren, dann gezieltes Training des Minimalwortschatzes
- Graphem-Phonem-Training (mit spez. Fördermaterial!)
- Wortbildgedächtnis-Training
- hohe Sprechanteile im Unterricht
- Grammatik visuell und anschaulich vermitteln
- weniger schriftliche, dafür mehr mündliche Übungen
- Inhalte häufiger wiederholen
- bei Hör- und Lesetexten den Einstieg durch Vorgaben erleichtern
- Schreibanteile reduzieren
- Kompromiss zwischen Textlänge und Inhalt finden