Art des Nachteilsausgleichs

Rechtliche Vorgaben zur Art des Nachteilsausgleichs

Bei Klausuren in der Sekundarstufe II und im Abitur können Vorbereitungs- und Prüfungszeiten angemessen verlängert werden. Darüber hinaus können lt. APO-GOSt § 13,7 auch sonstige Ausnahmen vom Prüfungsverfahren gewährt werden. Sie werden aber in der APO-GOSt (bis 2019) nicht näher erläutert. Allerdings geschieht dies in späteren Versionen der APO-GOSt (ab 2020) sowie schon vorher in der betreffenden 'Arbeitshilfe'. Dort gelten als sonstige Ausnahmen z.B. technische Hilfsmittel (z.B. Laptop), räumliche Maßnahmen (ablenkungsarme Umgebung) oder eine personelle Unterstützung (Hilfe bei der Arbeitsorganisation). In beiden Vorgaben wird betont, dass der Nachteilsausgleich individuell zu bestimmen ist, d.h. dass pauschale Regelungen (etwa Zeitverlängerung von 15 Minuten für alle Betroffenen) nicht zulässig sind. Im Gegensatz zu der o.a. breiten Palette möglicher Nachteilsausgleiche werden in den Verwaltungsvorschriften zu § 13,7 jedoch nur noch Zeitverlängerungen, nicht aber die sonstigen Ausnahmen, aufgeführt.



Umsetzung durch Schulaufsicht und Schulen

In der Praxis wird den betroffenen Schülerinnen und Schülern in den allermeisten Fällen nur eine Zeitverlängerung bei Klausuren als einzige Maßnahme gewährt. Andere Formen des Nachteilsausgleichs wie z.B. die Benutzung eines Laptops werden überhaupt nicht in Betracht gezogen und den deshalb den Antragstellern auch nicht als Option vermittelt. Bisweilen schließen Schulen sogar aus, dass es noch andere Möglichkeiten des Nachteilsdausgleichs geben kann. Zwei Beispiele: Die Bezirksregierung Düsseldorf verkündet bereits 2012 in einem Merkblatt: "Für die gymnasiale Oberstufe und das Zentralabitur gelten die Vorschriften der APO-GOSt §13 Abs. 7: Danach ist ggf. eine Verlängerung der Vorbereitungs- und Arbeitszeiten möglich." Nach einer Information der Bezirksregierung Münster aus dem Jahr 2015 "ist bei einer besonders schweren Beeinträchtigung des Lesen und Schreibens ggf. eine Verlängerung der Vorbereitungs-, Arbeits- und Korrekturzeit möglich".

 

Kommentar:

Sowohl die Arbeitshilfe Sekundarstufe II als auch die APO-GOSt (wie im Übrigen auch die KMK-Grundsätze) bestimmen, dass die Art des Nachteilsausgleichs auf den individuellen Nachteil des Betroffenen abgestimmt sein muss. Eine Beschränkung der möglichen Maßnahmen auf eine Zeitverlängerung ist an keiner Stelle vorgesehen. Der Nachteilsausgleich kann zwar eine Zeitverlängerung sein, aber auch z.B. die Benutzung eines Laptops. Entscheidend ist, ob der gewährte Nachteilsausgleich den tatsächlich vorliegenden Nachteil des Betroffenen kompensiert. Pauschale Maßnahmen wie etwa eine Zeitverlängerung für alle Schülerinnen und Schüler einer Schule sind nicht gestattet.



Der Grund für die Offenheit bzgl. der Art des Nachteilsausgleichs in der APO-GOSt und der Arbeitshilfe liegt darin, dass die Gruppe der Legastheniker äußerst heterogen bzgl. ihrer Nachteile ist. Verlangsamtes Lese- und Schreibtempo liegt zwar bei vielen Betroffenen vor, aber längst nicht bei allen. Und es ist bei manchen Betroffenen nicht die alleinige Form der Benachteiligung. Gleichwohl engen verschiedene Schulaufsichtsbehörden in NRW abweichend von den rechtlichen Vorgaben zum Nachteilsausgleich auf eine Zeitzugabe ein. So verweist die Bezirksregierung Münster auf den §13 der APO-GOSt, gibt jedoch die dortige Regelung in Bezug auf LRS unvollständig bzw. falsch wieder. Der entsprechende § 13,7 beschränkt nämlich keineswegs die Maßnahmen des Nachteilsausgelichs auf Zusatzzeiten. Es zeigt sich hier wie auch an anderen Stellen ein Widerspruch zwischen offiziellen ministeriellen Informationen bzw. den schulrechtlichen Vorgaben und der Umsetzungspraxis durch die Bezirksregierungen und Schulen.

Bisweilen sind auch die offiziellen Vorgaben des Schulministeriums selbst irreführend. So listet die Arbeitshilfe Sek II / Abitur zunächst eine Reihe möglicher Nachteilsausgleiche auf (zeitlich, technisch, räumlich,personell  S. 5), beschränkt diese Auswahl aber auf der nächsten Seite im Fall von LRS "in der Regel" auf zeitliche Maßnahmen. Einige Bezirksregierungen streichen sodann den Zusatz "in der Regel" in ihren Veröffentlichungen, andere hingegen ermöglichen den Schulen die ursprüngliche Auswahl der o.a. vier Kategorien. Eine ähnliche Einengung der möglichen Nachteilsausgleiche geschieht in den VV zu § 13,7 der APO-GOSt.