Zentrale Prüfung 10



Die rechtlichen Vorgaben

1. Kann für die ZP 10 ein Nachteilsausgleich gewährt werden?

Ja. Schüler und Schülerinnen mit einer LRS haben auch bei der Zentralen Prüfung 10 (ZP 10) einen Anspruch auf Nachteilsausgleich (NA). Dazu müssen die Erziehungsberechtigten einen Antrag bei der Schulleitung stellen.

2. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Die zentrale Voraussetzung ist natürlich, dass die besonderen Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und Rechtschreibens weiterhin vorhanden sind. Ein Attest oder ähnlicher Nachweis ist nicht erforderlich.

Eine weitere Bedingung ist, dass die Schule den individuellen NA bis zum Ende der Klasse 10 gewährt hat und dass sie dies auch dokumentiert hat.

 

3. Vom wem wird der NA beantragt?

Eigentlich ist es Aufgabe der Schule, rechtzeitig einen angemessenen NA für die ZP 10 festzulegen, unabhängig davon, ob dies von Eltern beantragt wird. Eltern können aber auch einen Antrag stellen, wenn die Schule die Initiative nicht ergriffen hat.

4. Wer entscheidet über den Antrag?

Die Schulleitung entscheidet darüber nach Beratung durch die Klassenkonferenz. Wenn die Eltern bei einer Ablehnung jedoch Beschwerde einlegen, entscheidet die Schulaufsicht, also die zuständige Bezirksregierung.

5. Welche Arten des Nachteilsausgleichs kommen in Frage?

Die aktuelle Verfügung (Schuljahr 2022/23) besagt, dass die Schulleitung eine Verlängerung der Arbeitszeit gewähren kann. Aber auch darüber hinausgehende Nachteilsausgleiche (offiziell "Ausnahmen vom Prüfungsverfahren") sind gemäß der rechtlichen Vorgaben möglich. In der Praxis beschränken bedauerlicherweise viele Schulen den NA auf eine reine Zeitzugabe und verweigern andere Maßnahmen, auch wenn diese zuvor im Verlauf der Sekundarstufe I als Nachteilsausgleich gewährt wurden.

6. Zeitverlängerung – wie lang und wofür?

Hierzu gibt es kaum offizielle Vorgaben, was im Sinne einer individuellen Anpassung des NA auch sinnvoll erscheint. Auch wenn es aus schulorganisatorischer Sicht nachvollziehbar ist, hier pauschale Regelungen zu treffen, muss eine Entscheidung über das Maß der Zeitzugabe individuell getroffen werden – natürlich vorausgesetzt die Zeitverlängerung ist überhaupt die passende Form des NA.

7. Antrag abgelehnt – was tun?

Leider geben die u.a. Vorgaben keine Hinweise darauf, was Eltern tun können, wenn der beantragte NA nicht gewährt wird. Erziehungsberechtigte bzw. volljährige Schülerinnen und Schüler müssen eine Entscheidung der Schule nicht ohne weiteres hinnehmen. Sie haben selbstverständlich die Möglichkeit, eine offizielle Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen, mit der sich die Schule zeitnah befassen muss. Entweder gibt sie der Beschwerde nach, d.h. sie ändert ihre ursprüngliche Entscheidung, oder sie folgt der Beschwerde nicht. Dann muss sie die Schulaufsicht einschalten, die dann ihrerseits über die Beschwerde entscheidet. In beiden Fällen muss aber die Schule die Eltern zeitnah informieren. Entscheidet auch die Schulaufsicht nicht im Sinne der Eltern, bleibt nur noch der Klageweg bei einem Verwaltungsgericht.

8. Notenschutz

In der ZP 10 nicht mehr möglich.

 

 

 

 



Kommentar: Was geschieht an den Schulen?

Nachteilsausgleich in Klasse 10 und Dokumentation durch die Schule

Schulen und auf Aufsichtsbehörden (Bezirksregierungen) erwecken durch mündliche und schriftliche Äußerungen den Eindruck, dass ein Nachteilsausgleich in der ZP 10 nur dann gewährt werden kann, wenn dieser auch in der Sekundarstufe I bis in die Klasse 10 umgesetzt und dies durch die Schule dokumentiert wurde. (Arbeitshilfe ZP 10, Verfügung ZP 10 2022/23)



Diese Bedingungen sind insofern problematisch, weil das Recht auf einen Nachteilsausgleich letztlich grundgesetzlich garantiert ist. Dieses Grundrecht darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein Dritter (hier die Schule) spezifische Handlungen zuvor ausgeführt hat. Es ist einerseits nachvollziehbar, dass ein Nachteilsausgleich in einer Abschlussprüfung nur schwerlich von einem Betroffenen einzufordern ist, wenn er ihn zuvor bei Klassenarbeiten nicht genutzt oder benötigt hat. Andererseits ist es denkbar, dass es die Schule im Verlauf der Sekundarstufe I versäumt hat zu erkennen, dass ein Nachteilsausgleich für einen bestimmten Schüler erforderlich ist und ihn folglich auch nicht umgesetzt hat. In diesem Fall würde durch ein Versäumnis der Schule

bewirkt, dass ein Prüfling (weiterhin) benachteiligt ist. Dasselbe Argument gilt für die Dokumentationsklausel. Auch hierbei ist es denkbar, dass die Schule den gewährten Nachteilsausgleich in Klasse 10 und in den Jahren davor zwar gewährt, aber nicht dokumentiert hat, aus welchen Gründen auch immer. Als Konsequenz darf dem betroffenen Prüfling wohl kaum der Nachteilsausgleich in der ZP 10 verwehrt werden.

 



Um derartig unbefriedigende Fälle zu vermeiden, sollten die Eltern in geeigneter Weise dafür sorgen, dass die Schule den Nachteilsausgleich in Klasse 10 gewährt und dokumentiert. Im Zweifelsfall könnte auch der Einblick in die Schülerakte Klarheit bringen.



Beantragung des Nachteilsausgleichs

Die Schule hat zu klären, ob für betroffene Schülerinnen und Schüler ein Nachteilsausgleich in der ZP 10 zu gewähren ist - und welcher.

Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob Eltern einen Nachteilsausgleich beantragt haben oder nicht. Da



 

 jedoch bereits im Verlauf der Sekundarstufe I diese Vorgabe häufig nicht beachtet wird und stattdessen erst auf Initiative der Eltern reagiert wird, besteht die Gefahr, dass dies auch hinsichtlich der ZP 10 so gehandhabt wird. Es ist deshalb hilfreich, dass sich Schulen über die Rechtslage informieren (etwa über Fortbildungen) und / oder dass Eltern frühzeitig die Schulen informieren und im Bedarfsfall selbst den Nachteilsausgleich beantragen.



Dauer der verlängerten Arbeitszeit

In keiner der rechtlichen Vorgaben findet sich eine Quantifizierung möglicher Zeitzugaben. Im § 13 Absatz 7 der APO-GOSt ist lediglich von einer angemessenen Verlängerung die Rede, wobei offen bleibt, was unter ‚angemessen’ zu verstehen ist. Auch die sog. ‚Arbeitshilfe’ legt keine Dauer fest und betont stattdessen, dass jeder Nachteilsausgleich – also auch ein zeitlicher - individuell zu gestalten ist. Wörtlich: „für jeden Einzelfall zu bestimmende, klar definierte Ausweitung der Arbeitszeit...“ Eine pauschale Gewährung des NA für unterschiedliche Betroffene ist nicht gestattet. Die KMK-Richtlinie fomuliert ebenfalls allgemein, dass eine Ausweitung der Arbeitszeit eine mögliche NA-Maßnahme darstellt, ohne die Zugabe zu limitieren. In den letzten Jahren hat sich in NRW eine Tendenz zu pauschalen Regelungen herausgebildet, wonach eine Verlängerung von ca. 15 Minuten gewährt wird.  Bemerkenswert ist, dass erstens dabei das Gebot der individuellen Anpassung missachtet wird und, zweitens, dass

 

 


Nutzung der Zusatzzeit

Ähnlich wie hinsichtlich der Dauer der Zeitzugaben verfahren auch bei deren Verwendung viele Schulen ebenso wie die Dientsaufsichtsbehörden zunehmend restriktiv. So wird häufig

 ein Teil der Zeitverlängerung als „Lesezeit“ vorgeschrieben, ein anderer Teil (oder die gesamte


die Verlängerung nicht in Relation zur Klausurdauer bestimmt wird.

 

Weiterhin finden sich in den Bewilligungsbescheiden keinerlei Begründungen für die 15-Minuten-Regelung. Ebensowenig wird bei der Zeitbemessung auf eine rechtliche, sachliche oder wissenschaftliche Grundlage verwiesen.


Zusatzzeit) als „Korrekturzeit.“ Die „Korrekturzeit“ soll ausschließlich zur Korrektur der zuvor gemachten sprachlichen Fehler verwenden werden. Wohl um dies besser kontrollieren zu können, soll die Korrektur bisweilen mit einem andersfarbigen Stift vorgenommen werden. Für alle diese Nutzungseinschränkung gibt es jedoch weder eine rechtliche Grundlage noch eine sachlichen Begründung. Die offiziellen rechtlichen Vorgaben legen für die Zusatzzeit keine spezielle Nutzung fest. Insofern bedeutet eine Verlängerung der Arbeitszeit, dass ein Schüler auch in der Zusatzzeit die gestellten Aufgaben weiter auf die Weise bearbeiten kann wie in der Regelzeit.